Gen Sadakane gründete vor sieben Jahren zusammen mit drei Freuden das Start-up EyeEm, eine Onlineplattform, auf der man eigene Fotos zum Verkauf anbieten kann. Das deutsche Unternehmen ist auch im internationalen Vergleich erfolgreich und kann Kunden wie Lufthansa, Apple oder Getty Images vorweisen. Im Interview gewährt Gen Einblicke zu Hintergründen, Hindernissen und Plänen in seinem Leben als Creative Director und Co-Founder von EyeEm.
Gen, Du warst bereits in Deiner vorherigen Karriere sehr erfolgreich. Warum hast Du Dich trotzdem für die Gründung eines eigenen Unternehmens entschieden?
Man muss neue Sachen ausprobieren. Ich könnte immer noch zurück in die Werbeindustrie gehen oder etwas komplett Neues anfangen. Aber heutzutage kannst du so viel selber konzipieren und vorantreiben. Man erstellt beispielsweise einen Instagram-Account und nutzt diesen als Plattform, um seine Inhalte zu veröffentlichen.
Du hast EyeEm zusammen mit drei Freunden gegründet. Belasten die gemeinsamen unternehmerischen Herausforderungen die Freundschaft?
Wir waren und sind nicht die dicksten Freunde, sondern man kennt und akzeptiert sich. Mit seinen besten Freunden zusammenzuarbeiten, wäre deutlich schwieriger. Denn wie in den besten Familien gibt es Probleme, wenn es ums Geld geht. Wir haben den Vorteil, dass wir vier komplett verschiedene Charaktere sind, mit vier verschiedenen Kompetenzbereichen. Wenn wir vier Digital Engineers oder vier Businessmenschen wären, würde die Zusammenarbeit viel problematischer verlaufen. Aber ein vielfältiges Team, das sich gegenseitig ergänzt, macht vieles einfacher.
Wie würde sich Deine Motivation verändern, wenn Du bemerken würdest, Deine anfängliche Idee sei nicht die beste gewesen?
Ich würde mich neu inspirieren lassen, um Neues auszuprobieren oder die Idee zu verbessern. Man sollte sich immer genug Freiraum bewahren, um neue Inspirationen bekommen und auch umsetzen zu können. Inspiration kann alles Mögliche sein, wie zum Beispiel ein Interview, wie dieses hier, oder ein Museumsbesuch. Nur durch Inspiration und ständige Motivation kann man Projekte voranschieben.
Denkst Du manchmal daran aufzugeben?
Es wäre schon eine Art aufzugeben, wenn man nur daran denkt. Man muss immer positiv oder zumindest kritisch sein und sich überlegen, was man noch besser machen könnte. Aber eine schwierige Situation zu erkennen, ist ja nicht aufgeben, sondern eher eine Motivation es wieder zum Positiven zu wenden. Aufgeben ist zu denken: wir kriegen es nicht hin, wir sind zu schlecht, wir sind zu dumm oder wir haben kein Geld.
Gab es Zeiten, in denen Du ziemlich kämpfen musstest?
Ja natürlich, jeder Tag ist in gewisser Art und Weise ein Kampf. Man muss immer sein Bestes geben.
Herrscht neben dem starken Zusammenhalt innerhalb der Startup-Community nicht auch ein starker Konkurrenzkampf? Es kann sich schließlich nicht jede Idee durchsetzen.
Natürlich hat man Angst, dass derjenige, dem man von seinen Ideen erzählt, eine Idee stehlen oder kopieren könnte. Aber das geht gar nicht so einfach, weil nicht jeder die passenden Ressourcen, die Kompetenz oder die richtigen Leute dazu hat. Klar, gibt es selbst in Berlin 10-20 verschiedene Startup-Entrepreneurs, die eine Idee mit Media, Tech oder Finance haben. Von diesen 10-20 Leuten wird es im Endeffekt nur einer oder vielleicht auch gar keiner schaffen.
Für welche Stellen bei EyeEm ist es am schwierigsten passende Leute zu finden?
Ehrlich gesagt haben wir keine großen Schwierigkeiten gute Leute zu bekommen. Das liegt vor allem daran, dass wir von Anfang an eine interessante Marke aufgebaut haben, für die Leute auch gerne arbeiten möchten. Am schwierigsten ist es noch bei Digital Engineers. Aber wenn das Umfeld, die Marke und das Produkt gut sind, dann kommen sie von alleine aus der ganzen Welt nach Berlin. Der Standort Berlin ist dabei natürlich auch von Vorteil, weil er immer noch sehr preiswert und zentral ist.
Auf was achtet Ihr bei neuen Mitarbeitern? Steht für euch mehr die Person oder deren Ergebnisse im Fokus?
Die optimalen Resultate folgen, wenn man die gleiche Passion mit den Leuten teilt. Unsere Passion ist Fotografie. Es wäre dumm, wenn sich Leute bei uns bewerben, die keinen EyeEm oder Instagram-Account mit Fotografie-Content haben. Der gemeinsame Nenner sollte der Wunsch sein, eine schöne Community und ein schönes Produkt zum Thema Fotografie aufzubauen.
Gibt es auch die Möglichkeit, dass man sich durch zu schnellen Erfolg überschätzt oder die Motivation sogar verliert?
Es existiert diese Gefahr, aber bei uns ist das nicht so. Wir sind als Team alle sehr bodenständig, wollen immer das bestmögliche für EyeEm erreichen und ruhen uns nicht auf unserem Erfolg aus. Das wäre das gleiche wie aufgeben. Wahrscheinlich sogar schlimmer. Hochmut kommt immerhin vor dem Fall. Man bemerkt das schnell in der Startup-Szene oder in der eigenen Umgebung, wenn sich jemand auf dem Erfolg ausruht.
Ist es nicht auch schwierig, wenn man sich nie auf seinen Erfolgen ausruhen kann?
Das ist eine Definitionsfrage von Erfolg. Bedeutet Erfolg, dass man viel Geld macht, dass man viele User hat oder dass man ein schönes Produkt anbietet? Für mich ist die Bekanntheit meines Produkts oder Unternehmens auf jeden Fall ein Indikator für Erfolg. Zu erreichen, dass 9 von 10 Personen auf der Straße EyeEm kennen, ist noch immer eine meiner größten Motivationen und Ziele.
Gehört für Dich dazu auch, als Person an sich bekannt oder berühmt zu werden?
Nicht unbedingt als Person. Eher für das, was man erreicht und geschaffen hat.
Wie wichtig ist es für eine erfolgreiche Karriere, Erfahrungen in verschiedenen Bereichen der Arbeitswelt zu sammeln?
Das ist essentiell für das Entstehen von neuen Ideen, wie die Publikation eines Magazins oder das Einsetzen von erweiterter Realität und Hologrammen. Es ist spannend zu sehen, wie man diese Dinge mit der eigenen Vision und Passion kombinieren kann.
EyeEm wird oft mit Instagram verglichen. Was ist der große Unterschied zu Instagram?
Es ist, wie Airbnb und Uber, ein Plattformbusiness. Wir sind eine visuelle Plattform, wo man auch als Laie Fotos hochladen kann, die dann von anderen gekauft werden können. Das Besondere daran ist, dass man kein Profifotograf sein muss, um seine eigenen Bilder zu verkaufen. Meiner Meinung nach, ist es die Zukunft, viele verschiedene kleine Einnahmequellen zu haben. Zum einen kann man ein Host sein, der seine eigene Wohnung vermietet, wenn man gerade verreist ist. Andererseits kann man sein Auto anderen zur Verfügung stellen, wenn man es im Moment nicht benötigt. Oder man macht Fotos, die man auf Plattformen, wie EyeEm, an andere verkauft. Das ist eine neue Art der Arbeit.
Wird sich die Gesellschaft also immer mehr in die Richtung entwickeln, dass jeder in einer gewissen Art und Weise selbstständig sein wird und nicht mehr nur Angestellter?
Da kommt es natürlich auf die unterschiedlichen Arbeitsbereiche an. In manchen bietet sich das mehr an als in anderen. Mit Hilfe der heutigen Kommunikationstools spielt es außerdem keine Rolle mehr von wo man arbeitet, ob von zuhause, in der Schweiz oder auf Bali. Zudem wachsen vor allem die Leute der jüngeren Generationen so auf, dass sie nach ihrer Ausbildung erst in großen Unternehmen arbeiten. Hier haben sie die Chance Dinge zu erlernen, die ihnen bei einer Entscheidung zur Selbstständigkeit zugutekommen werden. Nach ersten Jahren in der Branche sind sie dann in der Lage ihre eigenen Projekte umzusetzen und zu starten.
Wird es in der heutigen digitalen Welt immer schwieriger eine Work-Life-Balance aufrecht zu erhalten?
Wenn man die ganze Zeit erreichbar ist, dann fördert das sicher nicht die Work-Life-Balance. Aber das hat viel mit einem selber zu tun und nicht unbedingt mit dem digitalen Bereich. Die Struktur seines Arbeitsalltags kann man oft selber festlegen. Der digitale Umbruch bringt vor allem aber viele Vorteile. Zum Beispiel Google Home oder Alexa, für die man neue Skills kreieren kann ohne krasse Coding-Kenntnisse zu haben.
Wie wichtig ist ein Studium in der heutigen Zeit?
Es ist wichtig, sich Inspiration und einen Mentor zu holen, wofür Universitäten oft nicht ungeeignet sind. Noch essentieller ist es eine Leidenschaft zu haben. Wenn man also ein generelles Interesse dafür hat, eine Universität zu besuchen, sollte man das ausprobieren. Auf dem Campus hat man auch den Vorteil, sich treffen und mit Gleichdenkenden austauschen zu können. Das Ausprobieren ist dabei der wichtigste Punkt, um herauszufinden, was man wirklich will und was man für eine Leidenschaft hat.