Nach dem Studium ist vor dem Studium

Non scholae, sed vitae discimus – Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir. Nur Wenige wissen, dass diese berühmte Sentenz, die auf einen Briefwechsel zwischen Seneca und Lucilius, aus dem Jahr 62 n. Chr. zurückgeht, eigentlich genau umgekehrt lautet.
Nach dem Studium ist vor dem Studium
letztes Update: 07/03/2017

Non scholae, sed vitae discimus – Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir. Nur Wenige wissen, dass diese berühmte Sentenz, die auf einen Briefwechsel zwischen Seneca und Lucilius, aus dem Jahr 62 n. Chr. zurückgeht, eigentlich genau umgekehrt lautet.

Non scholae, sed vitae discimus – Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir. Nur Wenige wissen, dass diese berühmte Sentenz, die auf einen Briefwechsel zwischen Seneca und Lucilius, aus dem Jahr 62 n. Chr. zurückgeht, eigentlich genau umgekehrt lautet, nämlich „Non vitae, sed scholae discimus“. Die Aussage dahinter bleibt allerdings die gleiche: Seneca beklagt, dass die Philosophieschulen seiner Zeit nicht geeignet seien, um die jungen Menschen auf das wahre Leben vorzubereiten. Ein Vorwurf, der sich über die Jahrhunderte hinweg bewahrt hat und daher bis heute ein beliebter Aphorismus geblieben ist.

Schule und Ausbildung sollen die Menschen auf das Leben vorbereiten. Auf die Arbeitswelt ebenso wie auf die kulturelle und politische Teilhabe an der Gesellschaft. Dass die klassische Schulbildung alleine dafür oftmals nicht ausreicht, wusste nicht nur Seneca. So entstand beispielsweise in den 60er Jahren als Reaktion auf die steigende Komplexität der Arbeitswelt der Begriff des „Lebenslangen Lernens“. Er beschreibt ein Konzept, das Menschen befähigen soll, während ihrer gesamten Lebensspanne neue Kompetenzen und Qualifikationen aufzubauen. Dieser Ansatz ist also nicht neu, aber in der heutigen Zeit aktueller denn je, und zwar aus mehreren Gründen:

Zum einen gibt heute die Entwicklung digitaler Technologien den Takt für die Aus- und Weiterbildung vor. Kompetenzprofile verändern sich dabei in einem rasanten Tempo. Grundvoraussetzung für die berufliche und gesellschaftliche Teilhabe im digitalen Zeitalter ist daher eine ständige Aktualisierung der eigenen Fähigkeiten im Hinblick auf die Anforderungen der digitalen Welt. Zum anderen vergrößert sich mit steigendem Erwerbsalter auch die Zeitspanne, die zwischen beruflicher Ausbildung und der ausgeübten Tätigkeit liegt. Je nach Generation liegen Studium oder Lehre teilweise mehr als vier Jahrzehnte zurück. Kein Wunder also, dass viele Berufe nichts (mehr) mit dem zu tun haben, was man in der Berufsausbildung gelernt hat.

Zeit also für eine Renaissance des „Lebenslangen Lernens“? Wohl eher nicht. Denn abgesehen davon, dass dieser Begriff hoffnungslos veraltet ist, birgt das Konzept einige Schwächen. So knüpft das lebenslange Lernen an ein selbstbestimmtes, individualistisches Bildungsideal an, bei dem der Einzelne von sich aus nach neuen Weiterbildungsmöglichkeiten strebt. Das Problem: die extrem dynamische, digital geprägte Welt macht es dem Einzelnen oft unmöglich sich darin zu orientieren und die eigenen Fähigkeiten entsprechend „upzudaten“.

Stattdessen sollte diese Form der lebenslangen Qualifizierung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden. Welche Tragweite diese Aufgabe hat, zeigen Diskussionen wie die um das bedingungslose Grundeinkommen. Und sie zeigen, dass diese Debatten derzeit noch viel zu oft reaktiv geführt werden, indem versucht wird, die vermeintlich negativen Folgen des digitalen Wandels durch Maßnahmen wie das bedingungslose Grundeinkommen oder „Roboter-Steuern“ einzudämmen, anstatt zu versuchen, sie proaktiv zu nutzen. Etwa, indem man überlegt, wie Menschen befähigt werden können, die durch Wegfall physischer oder redundanter Arbeiten freigewordenen Potenziale positiv umzusetzen. Das geht aber natürlich nur dann, wenn sie die für die digitalisierte Wirtschafts- und Arbeitswelt geeigneten Fähigkeiten und Fertigkeiten besitzen.

Die Hochschulen haben sich aus dieser Diskussion bislang weitgehend herausgehalten. Das „Modell Hochschul-Studium“ funktioniert bislang immer nach dem gleichen Muster: Nach einer vorgeschriebenen Anzahl von Semestern und erfolgreich bestandenen Prüfungen endet das Studium mit einem Abschlusszeugnis und einem akademischen Titel, den der Absolvent (i.d.R.) sein Leben lang tragen wird. Mit dem Abschluss endet gewissermaßen auch die Verantwortung der Hochschule für den Bestand bzw. die Nachhaltigkeit des erworbenen Wissens. Ob die gelehrten Inhalte in den kommenden 5-10 Jahren noch relevant sind oder ob die erworbenen Fähigkeiten dann noch zum gefragten Berufsprofil passen, ist alleine Sache des Absolventen. Denn ein Konzept für Nachqualifizierungen haben die meisten klassischen Hochschulen nicht vorzuweisen.

Nun verstehen wir uns als exponentielle Hochschule, die Menschen auf die Herausforderungen der Digitalisierung und die Arbeitswelt von Morgen vorbereitet. Das halten wir für wichtig, bedeutet aber im Umkehrschluss: Gerade in diesen Bereichen haben fachliche Inhalte eine extrem geringe Halbwertszeit – denn die Dynamik ist das prägende Merkmal der Digitalisierung. Noch stärker als andere Hochschulen und Studiengänge sind wir daher gefordert, Antworten auf die Herausforderungen einer lebenslangen Qualifizierung zu finden und unsere Studienangebote konsequent darauf auszurichten. Unsere Antworten lauten:

Zukunftsorientiertes Studienangebot:
Die Süddeutsche Zeitung schrieb kürzlich „Ein Berufsleben ist heute so lang, dass zwei Karrieren hineinpassen“ und kommt zu dem Schluss, dass die Studienwahl heute nicht mehr entscheidend ist für die spätere Karriere. Gleichzeitig sollten Hochschulen allerdings versuchen, ihr Studienangebot auf die zukünftigen Anforderungen des Arbeitsmarktes anzupassen, indem sie Zukunftsthemen besetzen und sich intensiv mit den technologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen auseinandersetzen, die um sie herum erfolgen.

Konsequente Kompetenzorientierung:
Nicht nur das richtige Studienangebot, sondern auch die Ausrichtung desselbigen ist entscheidend, um ein nachhaltiges Lernen zu ermöglichen. Das bedeutet vor allem: weg von leicht überprüfbarem, aber volatilem Fachwissen und eng abgesteckten, jobspezifischen Fertigkeiten; hin zu echten Kompetenzen wie die Anpassungsfähigkeit an digitale Technologien oder der Fähigkeit, neue Geschäftsmodelle zu verstehen, zu entwickeln und anzuwenden. 

Ergänzende Angebote:
Kein Absolvent hat nach dem Studium „ausgelernt“ – Im Gegenteil: I.d.R. beginnt dann erst die Aneignung von fachspezifischen Skills und Know-how auf den verschiedenen Karrierestationen. Hochschule sollte daher mehr sein als ein Ausbildungsabschnitt, sondern im besten Fall ein lebenslanger Lern- und Know-how Partner. Bereits während des Studiums durch die Vermittlung von Praktika, Jobs oder Praxisprojekten im digitalen Ökosystem und darüber hinaus durch Weiterbildungs- und Qualifizierungsangebote, Workshops und Trainings für Unternehmen und Einzelpersonen. Dadurch wird sie zum Wegbegleiter bei der Karriereplanung, zum Sparringspartner bei beruflichen Entscheidungen, wie etwa beim Jobwechseln oder Unternehmensgründungen.

von Uwe Eisermann, Gründungspräsident der XU Exponential University of Applied Sciences (i.Gr.)

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